Jeder ist der beste Pilot – oder nicht? In unserm heutigen Artikel berichtet unser fiktiver UL-Pilot Hans-Joachim von seinen Erfahrungen am Fliegerstammtisch.
Neulich hatten wir mal wieder einen Fliegerstammtisch. Das bedeutet, etwa 20, zumeist eher betagte Herren und seltener auch ein paar Damen, finden sich an einem Abend in der Woche im Flugplatzcafé zusammen und tauschen sich aus. Der Gelegenheitspilot trifft auf den Vielflieger, der ULer auf den Echoflieger, der Motorschirm-Trike-Besitzer auf den Besitzer einer Seneca sowie der Herzchirurg auf den KFZ-Mechaniker. Ein buntes Gemisch aus Ansichten und Einsichten. Und jeder bringt seine eigenen Geschichten mit. Und natürlich ist jeder in diesen Geschichten der beste Pilot.
Ich hatte schon oft überlegt, den Fliegerstammtisch zu schwänzen. Mir geht dieses oft angeberische Gehabe durchaus auf die Nerven. Nicht, dass ich nicht selbst auch hin und wieder dazu neige – jedenfalls laut meiner Frau. Auf dem Fliegerstammtisch jedoch sitze ich mittendrin in diesem Kriegsgebiet und lausche zum Teil mit großem Erstaunen den angeblichen Heldentaten und halte mit aller Kraft meine Klappe. Denn wenn man etwas nicht tun darf, ist es, zu widersprechen oder berechtigte Einwände anzuführen. Da mir die Eigenschaft der stoischen Geduld nicht liegt – sagt meine Frau übrigens auch – ist es für mich unglaublich anstrengend, so einen Stammtisch unbeschadet zu überstehen. Wenn ich dann nach Hause fahre, fühle ich mich immer, als hätte ich gerade einen Marathon absolviert. Oft breche ich auf der Rückfahrt in ein anhaltendes hysterisches Gelächter aus.
Am unsympathischsten präsentieren sich am Fliegerstammtisch übrigens oft die Piloten, die vor 50 Jahren schon geflogen sind, am besten noch den Flugplatz mit aufgebaut haben, jetzt aber nicht mehr fliegen und trotzdem alles besser wissen. Die UL-Klasse ist für sie ein Dorn im Auge (fliegende Rasenmäher) und es waren sowieso immer nur sie selbst, die das Fliegen wirklich beherrschten. Da gibt es Geschichten von ULs in der Platzrunde, die ja per se nicht wissen, wo diese langführt. Liegt natürlich an der schlechteren Ausbildung. Das ist jedenfalls ihre Meinung.
Ein solcher Sympathieträger bei uns im Verein ist übrigens Klaus. Auch dieses Mal hatte er wieder eine Geschichte parat, in der er sein fliegerisches Können hervorheben wollte und dafür das eines anderen Piloten herabsetzen musste. Er berichtete von einer Situation, in der ein UL-Pilot (war ja klar!) den Queranflug meldete und er, der sich ebenfalls in der Platzrunde befand, ihn dort nicht finden konnte. Als er beim Höhepunkt seiner Geschichte angekommen war, haute er ganz nach Stammtischmanier polternd raus – ich zitiere: „Und dann habe ich dieses Arschloch nicht gefunden. Wo war das Arschloch?“. Dann brach er in aggressives Lachen aus, seine Groupies stimmten sofort mit ein und wenig später ging das Lachen in ein Grölen über, aus dem immer mal wieder durchklang: „Ja, wo war denn das Arschloch?“.
Mein Blick fiel auf meinen Fliegerkollegen Herbert, der in der letzten Minute verdächtig still geworden war. Ich konnte beobachten, wie seine Gesichtsfarbe von schneeweiß zu dunkelrot wechselte, und mit einem Schlag wurde mir klar, dass der werte „Ich bin der bessere Pilot, ihr Arschlöcher“- Herr hier wohl gerade eine Geschichte zum Besten gab, in der Herbert die Arschlochrolle einnehmen durfte.
In solchen Momenten fühlt man sich ja wie im Kino und fragt sich, was wohl als nächstes passiert. Vor meinem geistigen Auge sah ich Herbert schon aufstehen, nach Cowboy-Art seinen Pistolengürtel zurechtrücken und abwartend in siegessichere Miene seine Hand auf seine 44er Magnum legen. Doch natürlich waren wir nicht im Kino und Herbert war auch keinesfalls ein Cowboy und so stand er nur auf, ging zur Theke und bestellte sich noch ein Bier. Währenddessen ging die Geschichte über das „Arschloch“ im Hintergrund weiter, doch mich interessierte jetzt viel mehr, was Herbert dazu zu sagen hatte.
Ich stand also ebenfalls auf, schlenderte unauffällig zur Theke und stellte mich neben Herbert, der augenscheinlich um Fassung rang. Ich hatte schon so eine Ahnung, dass es wohl nicht ganz so gewesen war, wie es Klaus geschildert hatte und sprach ich ihn an: „Na, Herbert, so war es wohl mal wieder nicht, oder?“. Er drehte langsam seinen Kopf zu mir und sagte leise: „Hans-Joachin, was soll ich sagen? Also die Situation gab es halt wirklich, aber das interessante daran ist, dass ich mich vollkommen korrekt gemeldet habe und auch im Queranflug war.“. „Aber…?“, forderte ich ihn auf, weiterzuerzählen. „Nichts aber. War alles korrekt. Er hat mich nicht gefunden, meinen Landeanflug abgewartet und ist wenig später gelandet. In falscher Pistenrichtung…“. Bei den letzten Worten schlich sich ein Grinsen in sein Gesicht und gemeinsam brachen wir in Lachen aus. „Echt jetzt?“, konnte ich zwischen den Lachern noch herausbringen. „Allerdings!“, nickte er.
Der Abend wurde noch richtig lustig. Wir unterhielten uns über die laufende Saison, unsere kürzlich gemachten Ausflüge, die neusten Fluggeräte und genossen das ein oder andere Bierchen dabei. Selbst Klaus gesellte sich später noch zu uns an die Theke und wir lauschten interessiert seinen Geschichten aus alten Zeiten.
Später hat mich dann meine Frau vom Flugplatz abgeholt. Als ich grinsend zu ihr ins Auto stieg, fragte sie mich: „Na, wie war’s?“. Ich überlegte kurz und sprach im Brustton der Überzeugung: „Richtig nett. Nächstes Mal bin ich wieder dabei!“.
Die Moral von der Geschichte: Es wird immer Arschlöcher geben, es wird immer solche Piloten geben, die andere Piloten herabsetzen werden. Aber es wird auch immer die Gelegenheit geben, auf Fliegerstammtischen mit netten Piloten tolle Gespräche zu führen und Freundschaften zu schließen. In diesem Sinne Tschüss und bis neulich am Flugplatz!
Autor: Marie-Theres Hahn
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