Allgemein Ausbildung

Smooth Approach – Der richtige Abfangbogen ist enorm wichtig

Anflug auf EDLO (Flugplatz Oerlinghausen) in der Breezer.

„Fliegen heißt Landen“, lautet eine alte Pilotenweisheit. Bei der Landung muss jeder Handgriff sitzen. Das Gefährliche an einer Landung ist, dass das Flugzeug in dieser Phase des Fluges am absoluten Minimum bewegt wird. Geringe Geschwindigkeit, geringe Höhe, hoher Widerstand, wenig Auftrieb und geringe oder keine weitere Energiezufuhr. Für eine gute Landung ist höchste Konzentration und eine möglichst objektive Selbstreflektion gefragt.

Während die Vorbereitungen auf die Landung in der Platzrunde und im Endanflug noch fließend und routiniert ablaufen können, entscheidet sich die wirklich gute Landung erst kurz vor dem Aufsetzen. Der Abfangbogen muss perfekt passen, um das Flugzeug sanft auf die Piste zu setzen. Das klappt wahrlich nicht immer, denn Landen ist eine Kunst für sich.

Wird das Flugzeug zu früh abgefangen, kann es zu einer sogenannten Plumpslandung kommen, wird das Flugzeug zu spät abgefangen, werden Pilot und Passagier im Zweifel Zeugen einer sehr harten Landung. Da das bei ULs oft filigran gestaltete Fahrwerk diese Energie nicht immer zuverlässig und vollständig aufnehmen kann, sind in einem solchen Fall Schäden am Luftsportgerät zwar nicht grundsätzlich vorprogrammiert, aber gegebenenfalls zu erwarten.
Schuld an einem zu frühen oder zu späten Abfangen sind meistens die Gegebenheiten des angeflogenen Flugplatzes. Während der Abfangbogen und damit die Landung nach dutzenden Trainingseinheiten am Heimatplatz sehr gut beherrscht werden kann, können diese – auch für erfahrene Piloten – an fremden Flugplätzen plötzlich zu einer unerwarteten Herausforderung werden.

Visuelle Tiefenwahrnehmung kann trügen

Die Ursache für mangelhaftes Timing beim Abfangen eines Flugzeugs ist die visuelle Tiefenwahrnehmung des Piloten. Der Pilot prägt sich am Heimatplatz nach und nach ein Bild der Piste ein. Hierbei werden die Dimensionen und Verhältnisse von Pistenbreite und -länge im Kopf abgespeichert. Anhand dieses eingeprägten Bildes entscheidet der Pilot, wann er den Abfangbogen für gewöhnlich einleitet. Sobald die vor ihm liegende Piste in ihren Dimensionen und Verhältnissen zum eingeprägten Bild im Kopf passt, meint der Pilot zu wissen, wie hoch er sich noch über der Piste befindet. Er beginnt den Abfangbogen einzuleiten.

Der falsche Aha-Effekt

Während die Verhältnisse der Piste am Heimatplatz, aus einer gewissen Höhe betrachtet, den „Aha-Effekt“ liefern, wird dieser Effekt bei einer schmalen Piste später und damit in zu geringer Höhe eintreten. Der visuelle Eindruck wiegt den Piloten in der Sicherheit, noch ausreichend Höhe zu haben. Daher setzt er den Anflug mit gutem Gewissen fort. Die Folge ist ein hartes Aufsetzen mit Überfahrt, bei dem das Fahrwerk und die Struktur des Luftfahrzeugs extrem belastet werden können. Das Aufsetzen kommt durch das zu spät eingeleitete Abfangen meistens etwas überraschend und plötzlich.

Beim Anfliegen breiterer Pisten verhält sich die Situation genau umgekehrt. Bei breiteren Pisten tritt der „Aha-Effekt“ bereits sehr viel früher und damit in größerer Höhe ein. Die Folge ist ein verfrühtes Abfangen. Der Pilot zieht das Gas, sofern nicht bereits geschehen, ganz heraus, möchte durch sanftes Ziehen am Höhenruder den Abfangbogen einleiten und verliert dadurch rasch an Geschwindigkeit. Das danach eigentlich gewohnte sanfte Aufsetzen auf der Piste bleibt aus. Der Pilot wundert sich über den fehlenden Bodenkontakt, der seines Erachtens bereits vor wenigen Augenblicken hätte stattfinden müssen und plumpst schließlich auf die Piste.

Recovern oder durchstarten

Betrachten wir im Weiteren die letztgenannte Situation, hätte es zwei Entscheidungsmöglichkeiten gegeben. Das Treffen der richtigen Entscheidung hängt fast ausschließlich von der Selbstreflektion und damit auch von der Erfahrung des jeweiligen Piloten ab. Entweder bemerkt der Pilot seinen Fehler rechtzeitig und korrigiert ihn oder er verlässt sich auf seine visuellen Eindrücke – die unter gegebenen Umständen durchaus falsche Informationen liefern können – und setzt den Anflug fort.
Der unerfahrene Pilot wird den Fehler vermutlich nicht bemerken. Er fängt zu früh ab, erreicht die Minimalgeschwindigkeit in zu großer Höhe und wird aufgrund fehlender Strömung schnell absacken. Das Luftsportgerät wird hart auf der Piste aufsetzen.

Nicht nachdrücken, sondern nachlassen

Wird der Fehler rechtzeitig bemerkt, werden es einige Piloten mit deutlichem Nachdrücken versuchen. Das ist aufgrund der geringen Höhe aber eher kritisch zu betrachten. Das Luftsportgerät kann hierbei in eine Flugbahnschwingung versetzt werden, die unter Umständen nur schwierig zu beherrschen ist.
Oft ist hierbei ein mehrfaches Aufsetzen mit immer größeren Bögen die unangenehme Folge. Bekommt der Pilot diesen Zustand nicht unter Kontrolle, setzt er gegebenenfalls mit dem Bugfahrwerk voran weitestgehend unkontrolliert auf der Piste auf. Aufgrund der filigranen Gestaltung der Bugfahrwerke an ULs, neigt dieses zum Wegbrechen, sodass eine Bodenberührung des Propellers oft nicht mehr zu vermeiden ist. Der hierbei entstandene Schaden geht nicht selten in hohe vierstellige Bereiche.
Prinzipiell gibt es nur eine Möglichkeit, den Fehler zu recovern. Hierbei muss der Knüppel bzw. das Höhenruder nur leicht nachgelassen und der Gleitweg mit sanftem Zuführen von Motorleistung künstlich verlängert werden. Durch diese Maßnahmen kann der Abfangvorgang so gestaltet werden, dass das Flugzeug sanft aufgesetzt werden kann. Da dieses Verfahren jedoch sehr anspruchsvoll ist, sollten sich nur erfahrene Piloten an ein Recovern kurz vor dem Aufsetzen wagen.

Ziehen, nicht überziehen

Beim Durchführen des Abfangbogens können Piloten in eine weitere sehr kritische Situation geraten: die des zu starken Ziehens. Dieser Zustand birgt besondere Gefahren und kann in der Regel auch nicht ohne Weiteres recovert werden. Die Ausgangssituation ist das Einleiten des Abfangbogens kurz über der Pistenschwelle. Ziel der Landung ist es, das UL möglichst sanft aufzusetzen. Das wird durch ein stetig vermehrtes Ziehen am Steuerknüppel erreicht. Hier ist jedoch Fingerspitzengefühl und absolute Konzentration gefragt. Denn das richtige Abfangen durch Ziehen funktioniert nur dann, wenn das UL währenddessen auch ausreichend Energie (hier: Geschwindigkeit und damit Auftrieb) abbaut.
Ein häufiger Misstand im theoretischen Verständnis unerfahrener Piloten ist der Glaube, dass ein Pilot sein UL durch ununterbrochenes und immer stärkeres Ziehen am Steuerknüppel zur Landung zwingen könne. Hat das UL in diesem Fall jedoch noch zu viel Energie, wird es sich nicht sanft auf die Piste setzen, sondern im Gegenteil sogar wegsteigen. Bei diesem unbeabsichtigten Steigen kann ein UL sehr schnell sehr viel Energie verlieren, sodass es innerhalb weniger Augenblicke zu einem Strömungsabriss mit Abkippen über die Tragfläche kommen kann. Wenn dieser Zustand eintritt, ist es für ein Recovern zu spät. Die zu geringe Höhe macht ein Nachdrücken um Fahrt aufzunehmen nahezu unmöglich. Das UL würde unweigerlich abstürzen. Demnach gilt es diese Situation zu vermeiden und immer mit Bedacht zu ziehen.
Es ist also wichtig, dass das Flugzeug während des Ziehens stets genügend Energie abbaut, langsamer wird und damit weniger Auftrieb erzeugt. Sobald der Pilot während des Abfangbogens ein Steigen bemerkt, ist der Knüppel nachzulassen, um weiteres oder gar stärkeres Steigen zu verhindern. Sobald das UL aufgrund abnehmender Geschwindigkeit wieder zu sinken beginnt, kann der Pilot mit leichtem Ziehen am Steuerknüppel mit dem Abfangbogen fortfahren, um das UL möglichst sanft an die Piste heranzuführen.

Safety first!

Die einfachste und wohl sicherste Methode ist ein Durchstarten. Leichtes Nachlassen des Höhenruders, Vollgas, Ausgleich des Propellerdrehmoments durch einen beherzten Tritt ins Seitenruder. Schnell wird an Geschwindigkeit und dann auch Höhe gewonnen und der Pilot hat in der erneuten Platzrunde Zeit, die soeben gewonnenen Eindrücke mit in den zweiten Versuch zu nehmen.
Um den Fehler rechtzeitig zu bemerken, ist es wichtig, den Anflug und die bevorstehende Landung bereits vor dem Aufsetzen für sich zu reflektieren. Ein gesundes Misstrauen gegenüber der eigenen visuellen Wahrnehmung hilft Fehlern dieser Art vorzubeugen. Höchste Priorität hat hierbei eine möglichst frühe Entscheidungsfindung zum Durchstarten.
Imponiergehabe gegenüber zusehenden Terrassenbesuchern oder dem jeweiligen Begleiter ist hier ausdrücklich fehl am Platz. Ein guter Pilot zeichnet sich durch klare Entscheidungen und objektive Herangehensweise an eigene Fehler aus, die die Sicherheit aller wahren.
Ein Durchstarten hat nichts mit fehlendem Können, sondern viel mehr mit einem gesunden Verantwortungsbewusstsein zu tun. Es gilt: Safety first!

Autor: Markus Horowski

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ULMagazin

ULMagazin ist ein junges und modernes Onlinemagazin, das sich dem Bereich der Ultraleichtfliegerei widmet. Das Ultraleichtfliegen hat viel zu bieten. So gilt unsere Aufmerksamkeit allen Formen der ULs: Fußstart, Motorschirm, Dreiachs, Tragschrauber, Gleitschirm uvm.

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