Begonnen hat alles mit 14 Jahren, als ich durch meinen Vater ins kalte Wasser geworfen wurde: Er brachte mich aus dem damaligen West-Berlin ins schöne Sauerland nach Waldeck am Edersee, um mir das Segelfliegen beibringen zu lassen. Mit den Worten: „Hier ist die Pension, wo auch deine Fliegerkameraden wohnen und dich zum Flugplatz mitnehmen, in zwei Wochen erwarte ich dich in Tegel – hier sind Taschengeld und das Rückflugticket – du machst das schon“, verabschiedete er sich und war weg…
Das ist jetzt 36 Jahre her. Ich verbrachte meine Ferien ab dem Folgejahr auf dem Flugplatz Lübeck-Blankensee bei der Segelflugschule Horst Sammler, kam dort bis zur C-Prüfung und Windenschlepplizenz.
Mit meinem Vater verbrachte ich ein paar Urlaube in den USA, um dort zu fliegen. Er frönte seiner Leidenschaft der “E“-Fliegerei und ich erwarb am Boulder Municipal Airport, gelegen an den Foothills der Rocky Mountains, die F-Schleppberechtigung.
Wir flogen gemeinsam viele Stunden über Schleswig-Holstein ab St. Michaelisdonn, wo ich mit 15 Jahren den Pinch-Hitter Kurs absolvierte. Fliegerisch ausgebildet wurde ich durch den Fluglehrer und ehemaligen Ju52-Piloten Gerd Hellinger. Bei der Überlandeinweisung schlief der Mann neben mir ein und ich weckte ihn, als wir im Endanflug auf Kiel waren. Das BZF hatte ich zu der Zeit bereits in der Tasche.
Alle Flüge mit meinem Vater waren immer etwas Besonderes für mich und wir hatten viele interessante Begegnungen und viel Spaß.
Er hatte immer ein Ziel: Irgendwann einmal die Verkehrsflughäfen seiner damals geteilten Heimatstadt Berlin selbst anzufliegen zu können, um dort zu landen.
Leider konnte er sich diesen Traum nicht mehr erfüllen: Er verstarb im Jahr 1992 mit 58 Jahren viel zu früh. Mich hat die Fliegerei nie losgelassen, ich durfte viele Jahre mit Bekannten und Freunden in der E-Klasse auf der rechten Seite (mit)fliegen.
Im Jahr 1999 kam ich durch einen Zufall auf den Flugplatz Strausberg, wo ich dann nun endlich im Jahr 2003 bei der dort ansässigen UL-Flugschule AerolightClub mit dem SPL-UL begann und der ich bis heute treu geblieben bin.
Den ersten Flug mit Lizenz widmete ich bereits meinem Vater, indem ich sein Bild auf den rechten Sitz legte, mit ihm eine Runde flog und die Maschine mit Tränen in den Augen abstellte.
Das Vorhaben EDDT keimte immer mehr auf, nachdem Berlin-Tempelhof geschlossen wurde. Die jedoch in den Veröffentlichungen Bemerkungen „prohibited for Gliders, Motorgliders an Microlight Aircraft“ und die noch sehr hohen Landegebühren (man sprach von ca. 350 bis 400 € für die GA) hielten die Motivation im Zaum.
Ich verfolgte auf einschlägigen Webseiten Pireps zu EDDT und in 2012 hatte ich bereits konkrete Pläne zur Landung in Tegel, die jedoch weiterhin durch die hohen Landegebühren ausgebremst wurden.
Im Frühjahr 2012 rief ich trotz alledem unter den veröffentlichten Telefonnummern in Tegel an, gab den Hinweis auf mein Vorhaben, mit einem UL in Tegel landen zu wollen und bekam das Zuständigkeitswirrwarr zu spüren: Die Towercrew meinte am Telefon, es könne landen, wer Flügel habe, aber der Verkehrsleiter würde die endgültige Entscheidung treffen.
Der Verkehrsleiter verwies seinerseits an die Towercrew und konnte keine konkreten Angaben zu Landeentgelten dieser Klasse machen (oder wollte dies zu dem Zeitpunkt nicht).
Ich wartete weiter ab, las dann neulich ein Pirep zu Tegel auf der Webseite eddh.de zu einer Landung eines Fliegerkollegen der „E“-Klasse und sprach persönlich in Tegel vor. Unterhalb des Terminal B befindet sich der Zugang zum Vorfeld, an dessen „Pförtnerloge“ ich mein Vorhaben vortrug und ein Telefonat mit dem Verkehrsleiter vermittelt bekam, in dem mir der freundliche Herr erklärte, dass die Mindesttonnage erheblich gesenkt sei (5 Tons) und das Landeentgelt für einen bis zu zweistündigen Aufenthalt ca. 50 bis 70 Euro, entsprechend dem Lärmzeugnis, kosten würde.
Warum dies vorher noch niemand aus UL-Kreisen gewagt hat, ist mir nicht bekannt, aber die Vermutung liegt nahe, dass die bis dato hohen Landegebühren viele abgehalten haben, sich Infos einzuholen und dadurch der Nimbus der Unberührbarkeit von EDDT hochgehalten wurde.
Ich wollte dem zwar nicht ein Ende bereiten, aber war gewillt, endlich mal den Schritt zu wagen und eventuell der GA/UL-Gemeinde ein wenig helfen zu wollen, die Türe aufzumachen, wenn zwar auch mit kleinen Schritten, aber die sind bekanntlich ja immer besser, als mit Hauruck etwas erzwingen zu wollen. Ich fühlte den Drang, für meinen Vater (abgesehen von Tempelhof) nach Tegel fliegen zu „müssen“.
Am 8. Juli 2013 entschloss ich mich kurzfristig, nach Feierabend in die CTR Berlin-Tegel einzufliegen und mal nach der Möglichkeit eines tiefen Überfluges zu fragen, was mir gewährt wurde: „cleared for low approach 08L“.
Ich durfte die 08L der Länge nach im Tiefflug abfliegen und mein Entschluss war reif: PPR muss her!!
Am 25. Juli 2013 erhielt ich das PPR-Formular per Email, welches ich ausgefüllt wieder an den Verkehrsleiter Berlin-Tegel abschickte (Screenshot PPR) – das Bangen, ob ich das PPR erhalten würde, begann.
Am 26. Juli 2013 um 10:07h erhielt ich den Anruf des VVD und die PPR-Nummer, die mir die Landung ermöglichen sollte. PPR zu bekommen, bedeutet nicht zwingend auch landen zu dürfen. Mein Vorschlag dazu: Die geplante Landung in Tegel sollte möglichst zu einer verkehrsschwächeren Zeit gewählt sein, damit wir UL als kleinste Wirbelschleppenkategorie auch die Chance zur Landung haben.
Meine Freude war riesig.
Auch wenn die Strecke kurz ist, bereitete ich mich gründlichst vor, fand einen Mitstreiter und Fliegerkameraden in Derek Hans Pokorny, mit dem ich dieses Erlebnis teilen wollte.
Der Flug war von der Aufregung und Begeisterung getragen, zum ersten Mal mit einem UL in Tegel landen zu dürfen. Im Einleitungsanruf nannte ich die PPR-Nummer, der Einflug in die CTR über „Papa“ wurde genehmigt und der Einflug in den linken Gegenanflug 08L wurde genehmigt.
Dort erhielt ich die Anweisung, Meldung bei Sichtkontakt mit einem Airbus im 9NM-Endteil auf die 08L zu machen. Als Sichtkontakt bestand, bekam ich die Anweisung, als Nummer 2 hinter dem landenden Airbus den linken Queranflug zu melden, auf Wirbelschleppen zu achten und erhielt die Landefreigabe „lange Landung 08L“.
Gesagt, getan: Immer schön oben bleiben, um die Wirbelschleppen aus dem Spiel zu lassen, Aufsetzpunkt des Airbus merken und die lange Landung fixieren.
Beim Aufsetzen herrschte bei uns beiden großer Jubel an Bord über die erste Landung mit UL in EDDT. Der „Follow Me“ führte uns das Vorfeld entlang bis zum entlegenen GAT, zum Erstaunen einer Lufthansa-Besatzung, deren Gesichtsausdruck einfach köstlich war.
Auch der Einweiser hatte ein breites Grinsen im Gesicht als er uns die Parkposition zuwies und als wir ausstiegen, sagte er ohne zu zögern, wir wären das erste UL, das in Tegel gelandet ist.
In diesem Moment fiel die Anspannung ab und ich dankte meinen Vater mit feuchten Augen, dass er mir die Fliegerei „vererbt“ hat – ich glaube, er hat sich mit uns gefreut.
Das Lärmzeugnis wurde kopiert, das Formular zur Landung ausgefüllt und der überaus hilfsbereite Marshaller fuhr uns zum Ausgang und wir verabredeten uns zu einer bestimmten Zeit am selben Ort, damit er uns wieder zu unserem UL fahren würde.
Wir durften auf dem Vorfeld vor dem Tower aussteigen, erhielten ein Erinnerungsfoto und die langsame Fahrt war ein Genuss sondergleichen. Der Abflug erfolgte auf die Minute der im PPR-Antrag angegebenen Zeit, Ausflug über Pflichtmeldepunkt Papa und der freundliche Türmer in Strausberg empfing uns mit den Worten „D-CO, na, ihr Abenteurer…!?“, nachdem wir den Abflugplatz im Einleitungsanruf durchgegeben hatten.
Nach der Landung in Strausberg gab´s großes Hallo der Fliegerkameraden vom AerolightClub und ein langes Gespräch zu unserer „Erstlandung mit UL in Tegel“.
Ich begann zu begreifen, dass ich dies alles einem Menschen zu verdanken habe: Meinem Vater Heinz Rees, der mich mit 14 Jahren ins kalte, aber schöne Wasser der Fliegerei warf… Danke Papa…
Unser Dank gilt Gastautor und Pilot Matthias Rees, der als Pionier unterwegs war und diesen Artikel am 31. Juli 2013 verfasst sowie uns zur freien Veröffentlichung zur Verfügung gestellt hat.
Vielen Dank für die mutige Story! Hat mich berührt und ermutigt auch Unkonvetionelles zu wagen!
Gruss aus Zürich,
Simon Lämmle
Hallo Matze, ich bin so stolz auf Dich! Toller Artikel und purer Neid! Hätte ich nur Zeit gehabt!!! die andrea
Danke für den wunderbaren Bericht! Angesichts der Diskussion um die Schließung von EDDT – ein Ziel wo ich sehr gern landen würde. So oft dort gelandet als Pax wie im Simulator.
Bisher war LOWS mein „größter“ Airport mit kleinem UL.
Happy landings,
Stephan